Pig Business: Schweine in Österreich
Wie die meisten österreichischen Schweine leben, haben wir uns angesehen.
Schweine sind vieles – und vor allem oft in Flugblättern der Lebensmittelhändler*innen rabattiert. Wie sich das für die Mastbetriebe ausgeht? Aufschluss über die Schweinehaltung in Österreich bringt eine Recherche über das Leben eines Masttiers. Plus: Rezept für Schweinekarree auf Heu mit Tomaten-Risotto von Kochgigantin Viktoria Stranzinger.
Jetzt ist es aber gar nicht so leicht, ein Schweineleben nachzuvollziehen. Auch wenn rund 20 Prozent der tierischen Erzeugung in Österreich auf die Schweinehaltung zurückgehen, sind lebende Schweine im Freien nur selten zu sehen. Moment: So stimmt das nicht ganz. Durch Werbespots wird ein Bild vermittelt, das Tausende erreicht. Der unangefochtene Star im Fernsehen ist wohl das Ja!Natürlich Schweinderl, das Rewe als Garant für nachhaltige Lebensmittel dient. Dann ist doch alles in Ordnung? Nein, findet der Osttiroler Bauernbundobmann Martin Mayerl in
einem offenen Brief. Denn das Spot-Schwein hätte mit der Realität nichts zu tun. Die Ja!Natürlich Naturprodukte GmbH weist auf Nachfrage darauf hin, dass Werbung ein verkaufsförderndes Ziel habe. Und weiter: „Beziehungsweise hat Werbung zum Ziel eine Marke einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen. Wenn durch ‚das Schweinderl‘ der Bio-Landwirtschaft, mit all ihren Vorteilen wie etwa der Erhaltung eines gesunden Bodens und mehr Tierwohl, mehr Aufmerksamkeit zukommt, dann hat die Werbung ihren Zweck für eine gute Sache erfüllt.“
Bio-Tierhaltung als Ausnahme
Bio ist das Schlagwort – jedoch leben nach dem Verband Bio Austria nicht einmal zwei Prozent aller rund 2,8 Millionen österreichischen Schweine 2018 in einer biologischen Haltung. Oftmals scheitert ein Umstieg an finanziellen Möglichkeiten, worauf die Ja!Natürlich Naturprodukte GmbH hinweist: „Die Bio-Produktionskosten sind deutlich höher als die bei konventionellem Schweinefleisch: Allein die Ferkelkosten sind durch Haltungs- und Fütterungsvorgaben sowie durch geringere Wurfgrößen und -häufigkeiten deutlich höher.“
Als Beispiel: Ein Bio-Ferkel mit zirka 30 Kilogramm kostet in etwa so viel wie ein konventionelles Schwein mit 120 Kilogramm. Eine Rechnung, die den Landwirt*innen einen Bio-Umstieg schwer macht. „Es gibt für bestimmte Investitionen im Zuge der Umstellung Fördermöglichkeiten, wenn jemand diesen Schritt wagen will“, beschreibt Simone Schaumberger von der Schweineberatung des Vereins Bio Austria. „Ein Umstieg sollte jedenfalls wohl überlegt sein und nicht nur aus rein wirtschaftlichen Gründen erfolgen. Ich sehe es als wesentliche Voraussetzung an, dass man sich vorher mit den Prinzipien der Bio-Tierhaltung eingehend auseinandersetzt.“
„Bio-Produktionskosten sind deutlich höher als die bei konventionellem Schweinefleisch.“
Ja!Natürlich Naturprodukte GmbH
Lokalaugenschein in Oberösterreich
Summa summarum leben Schweine hierzulande in einer konventionellen Tierhaltung und nach dem aktuellen Jahresbericht des Verbands Österreichischer Schweinebauern am häufigsten in Oberösterreich. Mit rund 5.800 schweinehaltenden Betrieben platziert sich das Bundesland knapp vor der Steiermark. Zwei von diesen Mastbetrieben führen Markus Grünseis und Klaus Grimmer aus Mehrnbach im Innviertel. Grünseis als Tierwohl-Stall, Grimmer als konventionellen Betrieb – aber beide mit dem gleichen Ziel, die ausgewachsenen Schweine nach rund sechs Monaten Mast an Schlachtstätten liefern zu können. „Im arbeitsteiligen oder spezialisiertem Modell beteiligen sich zwei Betriebe, bis ein Schwein schlachtreif ist“, beschreibt Johann Schlederer, Geschäftsführer des Verbands landwirtschaftlicher Veredelungsproduzenten Oberösterreich und der Österreichischen Schweinebörse. Rund die Hälfte der Betriebe hierzulande arbeitet nach diesem Modell, mit 30 Kilogramm werden die Jungtiere von der Schweinezucht an die Mäster*innen verkauft.
0,7 Quadratmeter pro Schwein
Im Mastbetrieb von Klaus Grimmer ist es ruhig, sehr ruhig. Es wirkt befremdlich, in einem Stall mit Platz für 880 Schweine kein Grunzen zu hören. Von dem langen Gang führen schwere Türen zu den Buchten. In einem Raum befinden sich mehrere von diesen Parzellen mit Schweinen in der gleichen Altersgruppe. Durch die Glasscheibe wirken auch die Tiere ruhig. Manche liegen schlafend auf dem Vollspaltenboden, andere streunen auf der Fläche umher. Pro Mastschwein bis zu 110 Kilogramm werden 0,7 Quadratmeter gerechnet.Im Güllebehälter unter den Schweinen
sammeln sich Harn und Kot. Kaum geht die Türe auf, schauen sie umher. Nicht erschrocken, aber doch ein wenig beunruhigt – ein unbekanntes Gesicht. Es riecht stark nach Ammoniak und ist warm, kurz bleibt die Luft weg. Im nächsten Moment schaltet sich die automatische Fütterung an, nach Landwirt*innen mit Mistgabeln sucht man im mechanisierten Stall vergeblich. Getaktet in vier Futterblöcken, messen Sensoren alle zwanzig Minuten, ob der Trog bereits leer ist. Bei Bedarf wird das vorgewärmte Gemisch nachgeliefert, Wasser steht immer zur Verfügung.
Futter mit allen Nährstoffen
„Damit jedes Schwein genug Futter bekommt“, erklärt der Landwirt den Gedanken dahinter. „Bei Schweinen gibt es eine sehr große Rangordnung, die muss einem bewusst sein.“ Als Futter bekommen die Nutztiere eine Mischung bestehend aus selbst angebautem Mais, Gerste, Weizen, Soja, Aminosäuren und Mineralstoffen vorgesetzt. „Durch die Zugabe von Aminosäuren und Mineralstoffen ermöglichen wir eine vollwertige Ernährung. Das Schwein wäre von Natur aus ein Allesfresser“, beschreibt Schlederer. „Vor dem Rinderwahnsinn hat man wenig Fleisch- und Knochenmehl in kleinen Mengen dazufüttern dürfen, das wurde verboten. In nächster Zeit steht wieder bevor, dass Geflügelmehl an Schweine verfüttert werden darf – damit der Kannibalismus vermieden wird.“ Fischmehl und Milchnebenprodukte sind bereits erlaubt. Bei Klaus Grimmer wird 0,3 Prozent Kohlenstaub pro Ration für die Darmgesundheit beigemischt.
„Durch die Zugabe von Aminosäuren und Mineralstoffen ermöglichen wir eine vollwertige Ernährung.“
Johann Schlederer, Schweinebörse
Zucht, Mast & Schlachtung
„Wir haben in der Praxis beobachtet, dass in der Schweinehaltung oft wirklich nur das gesetzliche Mindestmaß eingehalten wird“, kritisiert Ines Haider vom Verein Gegen Tierfabriken (VGT). „Leider passiert in der Schweinehaltung auch sehr viel Tierquälerei.“ Grimmer setzt entgegen: „Ich habe zwei Tiere weniger in den Buchten als gesetzlich erlaubt – immer schon. Sie sind dadurch gesünder und fitter, wir verzeichnen bessere Leistungen und haben Ruhe im Stall. Wir sehen auch nur sehr selten Verletzungen an den Tieren.“ Haider äußert zudem Kritik an dem gängigen Kupieren der Schwänze und dem Kürzen der Eckzähne. Die Kastration darf gesetzlich nur unter einer schmerzstillenden Medikation durchgeführt werden. Den Landwirt*innen räumt sie aber nur eine Teilschuld ein: „Bei der Massentierhaltung selbst liegen die Schwierigkeiten sowohl in der Zucht als auch in der Mast und der Schlachtung. Ein Problem ist aber auch die Gesellschaft, die immer mehr Fleisch zu immer niedrigeren Preisen kaufen will.“
Genaue Kalkulation
In einer Bucht knabbert derweil ein Schwein an einem Stück Holz, das an einer silberglänzenden Kette hängt. Bei höheren Temperaturen können die Tiere ein paar Mal am Tag duschen. Den Sommer wird dieses Mastschwein aber nicht mehr erleben. „Wir sind beim Schlachtgewicht eher im oberen Bereich bei 100, 101 Kilogramm. Aber dafür haben wir keine untergewichtigen“, so Klaus Grimmer weiter. „Man kann diskutieren, ob sich das rechnet oder nicht. Wir haben aber etliche Male nachgerechnet und machen es weiterhin so.“ Denn mehr Gewicht der Schweine bedeutet in der Praxis auch mehr aufgewendetes Futter. Im Durchschnitt soll das Gewicht bei 97 bzw. 98
Kilogramm liegen, die ganze Gruppe soll möglichst das gleiche Schlachtgewicht haben. „In konventioneller Haltung muss oft sehr straff produziert werden, da es einen hohen Preisdruck gibt“, weiß Simone Schaumberger von Bio Austria. „Man braucht hohe Besatzdichten und optimierte Futterrationen, um die Tiere schnell fertig zu mästen und zu verkaufen, damit man gewinnbringend produzieren kann.“ Auch Ines Haider vom Verein Gegen Tierfabriken ist dieser Meinung: „Die Tiere werden zu immer mehr ‚Leistung‘ gezüchtet, der Preisdruck und Konkurrenzkampf sorgt für immer billigere Preise.“
„Der Preisdruck und der Konkurrenzkampf sorgen für immer billigere Preise.“
Ines Haider, VGT
Rund 170 Euro pro Mastschwein
Anfang 2019 bewegte sich das Preisniveau am Schweinemarkt mit einem Basispreis von 1,27 Euro netto je Kilogramm Schlachtgewicht unter dem langjährigen Schnitt. Eine Mastschwein brachte den Landwirt*innen damals rund 160 Euro ein. „Vor eineinhalb Jahren waren die Preise eine Katastrophe. Wenn das Fleisch pro Kilogramm beispielsweise statt 5,70 Euro 6,20 Euro gekostet hat, dann war die Spanne im Lebensmitteleinzelhandel prinzipiell schon ausgereizt. So gering waren und sind die Preisdifferenzen“, bekräftigt Schlederer.
Durch die Schweinepest in Asien und Teilen Europas geht die Rechnung für die Mastbetriebe derzeit auf, obwohl der Basispreis ab März wieder am Sinken war. Der stockende Fleischmarkt hat den Preiseinbruch ausgelöst. „Am stärksten schmerzt der Wegfall der Gastroszene“, bringt der Geschäftsführer der Österreichischen Schweinebörse die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie ins Spiel. „Auch die Fleischindustrie hat nach den Hamsterkäufen die Supermarktregale wieder befüllt und agiert inzwischen zurückhaltend.“ Und so kalkuliert auch der Mehrnbacher Schweinemäster weiter, um überleben zu können. Rund 170 Euro erhält er Ende Mai für ein Tier.
Höherer Preis, bessere Haltung
Einen Mittelweg zwischen konventioneller und Bio-Haltung hat der Nachbar von Klaus Grimmer Markus Grünseis eingeschlagen. Im Stall der Familie leben die Schweine in konventioneller Tierhaltung mit dem freiwilligen „Mehr Tierwohl“–Zusatzmodul des Agrarmarkt Austria Marketings. Konkret bedeutet das, dass ein Schwein mit 1,3 Quadratmeter in der Endmast ein großzügigeres Platzangebot zur Verfügung hat. 13 Nutztiere leben in einer Bucht, die mit Stroh aus der eigenen Landwirtschaft ausgestattet ist. Dreimal die Woche ausgemistet wird. Am hinteren Ende der Parzelle befinden sich abgedunkelte Liegeboxen, der Ruhebereich ist somit wärmeisoliert. m Gegensatz zum Nachbarbetrieb haben die Schweine den ganzen Tag Zugang zu Futter, das unter anderem aus den Erzeugnissen der 21 Hektar großen eigenen Landwirtschaft und Donau-Soja besteht.
Ins Freie dürfen die Nutztiere aber nicht. Markus Grünseis kennt den Grund: „Die Lärm- und Luftemission ist bei solchen Ausläufen größer.“ Sprich: Die umliegenden Anrainerinnen könnten sich gestört fühlen. Durch den Außenklimastall in Holzbauweise weht aber dennoch frische Luft, die Seitenwände können reguliert werden.
„Der Preis ist für viele wichtigstes Einkaufskriterium.“
Manuela Schürr, AMA
Bereit, um für mehr Tierwohl zu zahlen?
Mit 120 Kilogramm sind die Schweine schlachtreif. „Wir hoffen inständig, dass dieses Programm am Markt eine faire Chance bekommt und sich immer mehr Konsumenten bewusst für diese Produkte entscheiden – auch wenn sie etwas teurer sind“, plädiert Manuela Schürr von der Unternehmenskommunikation des Agrarmarkt Austria Marketings an die Endkundinnen. „Dieses Fleisch bleibt derzeit einfach im Regal liegen, der Preis ist für viele wichtigstes Einkaufskriterium.“ Auch Johann Schlederer weiß um diese Problematik: „Wir tun uns eher schwer, dass wir den Markt und vor allem die Verbraucher finden, die bei der Befragung sagen ‚Ich bin bereit für mehr Tierwohl mehr zu bezahlen‘ und das im Supermarkt dann auch umsetzen.“ Am Ende haben eben doch die Konsument*innen einen großen Anteil daran, wie es den Schweinen in den Mastbetrieben geht. Der Markt wird sich daran anpassen.
Rezept mit Schwein von Viktoria Stranzinger
Auch wenn es in der Haltung von österreichischen Schweinen nicht relevant ist, haben wir uns dennoch für ein Bio-Schwein entschieden, mit dem wir unser Gericht zubereiten wollen. Gegrillt wird das Fleisch von Kochgiganten-Siegerin Viktoria Stranzinger, die uns hierfür in ihre Cook up Kitchen in Durchham bei Geinberg (Oberösterreich) eingeladen hat. Derzeit ist sie selbst dabei, einen sozialpädagogischen Bauernhof in Blindendorf zu gründen, auf dem fünf Hektar Weidefläche für Tiere zur Verfügung stehen. Eingezogen sind bereits drei Miniziegen (Curry, Koriander und Kümmel), zudem wird ein Bauerngarten in Permakultur angelegt.
Schweinekarree auf Heu mit Tomaten-Risotto
Kochutensilien
- Grill
Zutaten
Für das gefüllte Schweinekarree:
- 600 g Schweinekarree wir haben uns für Bio-Qualität entschieden
- 50 g getrocknete Tomaten
- 80 g Oliven
- 50 g Kapern
- 50 g Parmesan gerieben
- 1 EL Brösel
- etwas Knoblauch, Thymian, Salz, Pfeffer, Tomatenflocken
- eine Hand voll Heu
Für das Tomatenrisotto:
- 200 g österreichischer Reis
- 150 g Tomaten gewürfelt
- 80 g Zwiebel gewürfelt
- 20 g Tomatenmark
- 100 ml Weisswein
- etwas Salz, Pfeffer & Knoblauch
- etwas Majoran, Basilikum & Oregano
- 400-500 ml Gemüsefond
Anleitungen
Für das gefüllte Schweinekarree:
- Beim Schweinekarree die Silberhaut mit einem scharfen Messer entfernen.
- Zum Füllen mit dem Messer einschneiden.
- Kapern, Oliven, getrocknete Tomaten, Knoblauch in kleine Würfel schneiden und mit den Bröseln, Salz, Pfeffer und dem Parmesan vermengen.
- Das Schweinekarree mit der Masse füllen.
- Das Karree gut würzen und auf dem Grill bei direkter Hitze von jeder Seite zwei Minuten gut grillen.
- Danach in eine Grillschale mit Heu legen und auf die Seite der indirekten Hitze stellen.
- Bei 180 Grad Celsius 12 bis 16 Minuten garen.
Für das Risotto:
- Den Zwiebel in klein würfelig schneiden und glasig anrösten.
- Das Tomatenmark dazu geben und kurz mitrösten, danach mit einem Weißwein oder Rosé ablöschen.
- Tomatenwürfel und Gewürze dazu geben und mit Gemüsefond immer wieder aufgießen.
- Bissfest dünsten lassen.
Zum Anrichten:
- Schwein vom Grill nehmen und in Portionen schneiden.
- Das Risotto auf einen Teller geben und eine Scheibe des Karrees darauf platzieren.