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Future Food Weinbergschnecke

Die nachhaltige Proteinquelle auf der Überholspur

Sind Weinbergschnecken das Fleisch der Zukunft? Wenn es nach Simone Embacher geht, dann mit Sicherheit. Die Ellmauerin betreibt seit rund eineinhalb Jahren die Kaiserschnecken-Zucht (mit atemberaubendem Ausblick auf das Massiv des Wilden Kaisers) und liefert feinste Escargots, die als Hauptdarsteller von Gerichten eine Spitzenfigur machen. Ein Lokalaugenschein inklusive Rezept für Weinbergschnecken im Bierbackteig.

Foto: Martin Guggenberger Photography

Der kleine CO2-Fußabdruck ist heute nicht nur ein schlagendes Verkaufsargument, es ist auch ein realer Versuch die Umwelt und das Klima nachhaltig positiv beeinflussen zu können. Verbraucher*innen verlangen vermehrt nach Lebensmitteln, die Zukunft haben (#klimatarier) – und die Produzent*innen liefern. Darunter ist auch Simone Embacher aus Ellmau. Sie war von Beginn an fasziniert von der Nachhaltigkeit der Weinbergschnecken-Zucht als Form der Lebensmittelproduktion und beschloss im Herbst 2018, selbst unter die Züchter*innen zu gehen. Mit einem klaren Ziel: Weinbergschnecken als eine interessante Alternative zu Fleisch als Proteinlieferanten auf dem Speiseplan zu etablieren.

Neben Insekten sind auch Weinbergschnecken äußerst ressourcenschonend in ihrer Produktion, wie der Vergleich zeigt: Ein Kilogramm Muskelfleisch vom Rind braucht 14 Kilogramm Kraftfutter, vom Schwein acht Kilogramm, vom Geflügel vier Kilogramm. Insekten und Schnecken benötigen nur zwei Kilogramm Kraftfutter. „Ich glaube aber nicht, dass die Schnecke jemals Fleisch ersetzen wird. Es braucht aber schon ein Umdenken, gerade in Anbetracht der Klimasituation, denn die Landwirtschaft, wie sie zur Zeit betrieben wird, ist nicht zukunftsfähig.“ Aktuell wird diese Thematik auch während des European Forum Alpbach (EFA20) intensiv besprochen und behandelt.

Zeit für nachhaltige landwirtschaftliche Konzepte

Bereits mit zwei Jahren kam Simone in näheren Kontakt mit Schnecken, als sie ohne jeglichen Ekel eine in den Mund nahm. Ihre Mama Agnes hielt das Spektakel amüsant im Tagebuch fest. „Ich war kulinarisch also schon immer aufgeschlossen“, lacht sie. Heute züchtet die 42-Jährige als eine der wenigen in Österreich Weinbergschnecken, am ehemaligen Hof der Großeltern in Ellmau hat Simone ein ansehnliches Schneckenparadies mit ihrem Geschäftspartner Wolfgang Kaufmann geschaffen. Nach eingehender Recherche der Weichtiere haben beide mit 500 Mutterschnecken begonnen. Gekauft wurden sie direkt aus einer anderen Zucht, da Weinbergschnecken in Österreich unter strengem Naturschutz stehen. „Wir haben aber dann gleich gemerkt, dass es zu wenige sein werden“, resümiert sie über die erste Zeit als Schneckenzüchterin. „In unserer Region hat es sich wie ein Lauffeuer verbreitet, viele wollten die Kaiserschnecken probieren.“

„Die Weinbergschnecke war nur für ein paar Jahre verschwunden. Da war sie aber immer – und jetzt ist sie auch wieder in Gerichten präsent.“

Simone Embacher, Züchterin der Kaiserschnecke
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Helix Pomatia & Helix Aspersa Maxima

Also kamen nochmals 1500 Speiseschnecken dazu, mittlerweile bewegen sich rund 100.000 Exemplare der heimischen Helix Pomatia und der mediterranen Helix Aspersa Maxima in den zwei Gehegen. Auch wenn Simone vorab ein Schneckenzuchtseminar in Wien absolvierte, sei die Zucht dennoch „ganz viel Learning-by-doing“. Hilfe bekommt sie aus dem Südburgenland, Christian Janisch (Südburgenlandschnecke) steht ihr nach wie vor mit Rat und Tat zur Seite. „Mich überrascht auch immer wieder, wie wenig Menschen über Weinbergschnecken wissen“, plädiert Simone für mehr Beschäftigung mit dem Weichtier. Und weiter: „Die meisten verwechseln die Weinbergschnecke mit der Nacktschnecke. Ich glaube, dass einer der Gründe dafür im Sprachgebrauch liegt.“ Im Deutschen gibt es lediglich ein Wort für Schnecke, in Frankreich (Escargot und limace) oder Großbritannien (auch Escargot und snail/slug) wird aber zwischen der essbaren Weinbergschnecke und der Nacktschnecke klar unterschieden. 

Viele Handgriffe bis zur küchenfertigen Weinbergschnecke

Von April bis Oktober herrscht Hochbetrieb im Schneckenbeet. Sobald die Sonne untergeht, kommen die Weinbergschnecken aus ihren kühlen Verstecken hervor. Es liegt bereits eine bunte Auswahl an Gemüse für sie bereit, zusätzlich werden Eier als Kalklieferanten für das Schneckenhaus und Kraftfutter auf Basis von geschrotetem Bio-Roggen, Weizenkleie und Sojaschrot aus Österreich zur Verfügung gestellt.  Was die Weinbergschnecke zusätzlich sympathisch macht: Sie frisst zuerst absterbende Pflanzen und geht dann erst auf die frischen. Deshalb wächst auch allerhand an Grünem prächtig im Gehege, eine kahle Landschaft sieht anders aus.

„Wir bewässern auch zusätzlich, da die Weinbergschnecke viel Feuchtigkeit benötigt“, beschreibt Simone. „In der Natur würde sie aber monatelang ohne Wasser überleben. Schnecken verkriechen sich bei zu wenig Regen ins Haus, machen ein Häutchen vor dem Eingang des Hauses und fahren den Organismus hinunter. Sie warten in Ruhe auf bessere Zeiten.“ Genau diesen Mechanismus nützt sie auch bei der Schlachtung: Die gesammelten Speiseschnecken im Tiefschlafmodus kommen für mehrere Minuten in kochendes Wasser, sie sterben in Sekundenschnelle. 

Wird die Schnecke gestresst oder gekitzelt, dann produziert sie einen „Stressschleim“. Dieser soll in der freien Natur beispielsweise Käfer abhalten, mit ihrem Sekret schützen sich die Schnecken zusätzlich gegen Trockenheit, Bakterien und UV-Strahlung. Alles was auch den Alterungsprozess der menschlichen Haut beschleunigt, weshalb der Schneckenschleim in der Kosmetikindustrie hoch gehandelt wird.

Salzen, waschen, kochen

Auf den Tötungsprozess folgen bis zum Verzehr aber noch viele weitere Handgriffe. Zuerst wird das Schneckenfleisch aus dem Haus geholt, die Leber als eigene Delikatesse wird vom Rest getrennt. „Von der Schnecke isst man gewöhnlich nur die Kriechsohle und den Mantel. Rund vier Gramm ausgelöstes Fleisch pro Schnecke bleiben zum Schluss übrig“, sagt sie. „Die Abschnitte bekommen bei uns die Hühner.“ Danach wird das Fleisch eingesalzen. Bei diesem Vorgang lassen die  Schnecken den Schleim, der unter klarem Wasser abgespült wird.

„Das ist bei vielen auch eine Hemmschwelle, weil sie bei Schnecken immer an Schleim denken. Die Weinbergschnecke an sich ist aber überhaupt nicht schleimig, eher feucht. Das merkt man auch, wenn man sie in die Hand nimmt“, so die Schneckenzüchterin. „Und nach dem Einsalzen, ist ohnehin jeglicher Schleim entfernt.“ In einem nächsten Schritt lässt Simone das Fleisch rund zwei Stunden im Gemüsefond köcheln, zuletzt werden die Speiseschnecken mit dem Fond in Gläser abgefüllt. „Dann sind die Kaiserschnecken küchenfertig und können beliebig verarbeitet werden.“ 

„Rund vier Gramm ausgelöstes Fleisch pro Schnecke bleiben zum Schluss übrig.“

Simone Embacher, Schneckenzüchterin

Wie man Speiseschnecken am besten isst

Als Klassiker mit Kräuter- bzw. Knoblauchbutter gratiniert, in Butter oder ganz kurz in der Pfanne angebraten schmecken die Weinbergschnecken mit Garantie. „Zu lange bei zu großer direkter Hitze dürfen die Kaiserschnecken aber nicht erhitzt werden, sonst werden sie zäh“, gibt Simone Tipps zur Zubereitung. Ebenso als Ragout, Schneckenlaibchen oder als Belag für eine Pizza würde die Delikatesse passen, wir bereiten sie als Weinbergschnecken im Bierbackteig (Wiener Art) mit Erbsen-Minz-Creme zu. Wer sich selbst nicht an den Herd stellen möchte, der kann die Weinbergschnecken auch bei Führungen direkt auf dem Schneckenhof verkosten oder in folgenden Betrieben genießen:

Vielleicht trifft man Simone auch selbst in den Restaurants an, sie pflegt einen nahen Kontakt zu den Gatronom*innen. „Auch weil ich die Weinbergschnecken selbst sehr gerne esse“, schmunzelt sie. Im großen Stil möchte Simone die Speiseschnecken in nächster Zeit nicht produzieren: „Meine Idee ist wirklich die Nachhaltigkeit und die Regionalität. Die Kaiserschnecken sollen kein Massenprodukt werden, sie sollen ein hochwertiges, regionales Produkt bleiben.“ In Zukunft sollen Simones Weinbergschnecken aber in ausgewählten Feinkostläden (unter anderem im Weinatelier Agnes in Söll) erhältlich sein.

Weinbergschnecken im Bierbackteig mit Erbsen-Minz-Creme

Wir haben die Kaiserschnecken von Simone Embacher nach Wiener Art – sprich im Bierbackteig – zubereitet. Dazu gibt es eine Erbsen-Minz-Creme, die eine gewisse Frische ins Gericht bringt. Dazu passt ein resches Glas Weißwein.
Zubereitungszeit 30 Minuten
Gericht Hauptspeise
Küche Tirol

Zutaten
  

Für die Weinbergschnecken:

  • 2 Dutzend Weinbergschnecken
  • 125 ml Bier
  • 200 g Mehl
  • 2 Eier
  • etwas Salz
  • etwas Schnittlauch
  • 2 Liter Öl neutral
  • 125 g Butter
  • nach Geschmack Kräuter und Knoblauch

Für die Creme:

  • 150 g Erbsen
  • etwas Minze
  • etwas Salz und Zitrone
  • Öl

Anleitungen
 

Für die Weinbergschnecken:

  • Die Butter erwärmen, Kräuter und Knoblauch nach Geschmack zugeben. Vom Herd nehmen und neutrales Öl erhitzen.
  • Für den Bierteig Eier trennen.
  • Bier, Mehl, Dotter und Salz verrühren, das Eiweiß zu Schnee schlagen.
  • Schnittlauch in feine Ringe schneiden, gemeinsam mit dem Eischnee unter die Bier-Mehl-Masse heben.
  • Den Fond der küchenfertigen Weinbergschnecken abgießen und die Schnecken in die Kräuter-Butter geben.
  • Sobald das neutrale Öl heiß ist, können die Weinbergschnecken (einzeln oder zu mehreren Teilen) durch den Backteig gezogen werden.
  • Im Öl goldbraun backen und dann auf einem Küchenpapier abtropfen lassen.

Für die Creme:

  • Erbsen mit Minze und Öl pürieren.
  • Mit Salz und etwas Zitrone abschmecken.
  • Zusammen mit den Weinbergschnecken auf einem Teller anrichten und mit einem kühlen Glas Weißwein genießen.
Keyword Weinbergschnecken

kaiserschnecke.at

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